Ostpolitik: Treffen Willy Brandts mit Willi Stoph in Erfurt und Kassel

Ostpolitik: Treffen Willy Brandts mit Willi Stoph in Erfurt und Kassel
Ostpolitik: Treffen Willy Brandts mit Willi Stoph in Erfurt und Kassel
 
Die Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Regierungen in Moskau und Warschau über den Abschluss von Verträgen waren bereits eingeleitet, als es im Januar/Februar 1970 auch zu einem Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Brandt und DDR-Ministerpräsident Stoph und zur Vereinbarung zweier Gipfeltreffen kam: am 19. März 1970 in Erfurt und am 21. Mai 1970 in Kassel.
 
Die Vorverhandlungen zu diesen Treffen waren außerordentlich schwierig. Die sozialliberale Regierung war entschlossen, die Einheit der deutschen Nation zu wahren und die völkerrechtliche Anerkennung der DDR, die die DDR-Vertreter forderten, zu verweigern. Brandts Formulierung zur deutsch-deutschen Situation in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 hatte den Standpunkt der Bundesrepublik klar festgelegt: »Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein.«
 
Seit der gescheiterten Münchner Ministerpräsidentenkonferenz vom Juni 1947 hatte es keine offiziellen Begegnungen zwischen Spitzenpolitikern aus West- und Ostdeutschland gegeben. So sah man in Ost und West diesem Treffen mit größter Spannung und hohen Erwartungen entgegen. Während in Erfurt die Bevölkerung die Absperrungen der Polizei durchbrach und Bundeskanzler Brandt demonstrativ spontane Sympathiebekundungen darbrachte, kam es in Kassel zu Störaktionen rechtsextremer Entspannungsgegner, die nach dem relativ harmonisch verlaufenen Erfurter Treffen die Begegnung in nüchterner, fast frostiger Atmosphäre ausklingen ließen.
 
Die Standpunkte waren nach den beiden Treffen unverändert geblieben. Die DDR beharrte auf der vollen völkerrechtlichen Anerkennung, während Bundeskanzler Brandt, der die Gleichberechtigung der DDR anerkannte und den Austausch von Bevollmächtigten, nicht aber von Botschaftern, vorschlug, betonte: »... Beide Staaten haben ihre Verpflichtungen zur Wahrung der Einheit der deutschen Nation.« Da in den gleichzeitig laufenden Verhandlungen in Moskau ausdrücklich die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten als notwendig hervorgehoben worden war, ging auch das Gespräch zwischen Bonn und Ost-Berlin trotz der vorerst festgestellten Unververeinbarkeit der jeweiligen Standpunkte auf Staatssekretärsebene weiter.
 
Die von Bundeskanzler Brandt beim Kasseler Treffen vorgelegten 20 Punkte als Vorentwurf für ein zwischen beiden deutschen Staaten zu schließendes Abkommen bildeten den Umriss für den am 21. Dezember 1972 unterzeichneten Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

Universal-Lexikon. 2012.

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